Eine vegane Schwangerschaft wird von den meisten Menschen noch als unvereinbar und gesundheitsgefährdend angesehen.
Die vegane Ernährung wird bei einer Schwangerschaft als nicht ausreichend und verantwortungslos bezeichnet. Obwohl gerade vegan lebende Schwangere sich mehr über die Nährstoffzufuhr informieren, da diese bei der veganen Ernährung angepasst werden muss.
Omnivore Schwangere bekommen vom Arzt die wichtigsten Präparate und machen sich darüber hinaus womöglich weniger Gedanken über die Nährstoffverteilung ihrer Nahrung, da diese als allgemein anerkannt und gesund gilt.
Es soll in der Schwangerschaft auf einige Lebensmittel verzichtet und nach Lust und Gefühl gegessen werden. Wie viele machen sich dann noch Gedanken darüber, ob das heranwachsende Kind alle lebensnotwendigen Mikronährstoffe über die gewohnte Lebensmittelauswahl bekommt? Denn auch eine mischköstliche Ernährung deckt nicht automatisch alle Nährstoffe ab.
Mittlerweile zeigen viele wissenschaftliche Veröffentlichungen und Positionspapiere von Ernährungsgesellschaften, dass eine gut geplante vegane Ernährung in jeder Phase des Lebens bedarfsdeckend ist.
Es gibt KEIN tierisches Produkt, das der Mensch zum Überleben braucht. Somit auch keine Schwangere. Es gibt Nährstoffe, die in jeder Schwangerschaft eine höhere Zufuhr bedürfen. Diese kann allerdings durch eine vegane Ernährung weiterhin gedeckt werden, wenn eine Frau schwanger wird.
Welche Nährstoffe benötigen in der Schwangerschaft einen Mehrbedarf?
Omega 3, Folat (B9), Vitamin D3, Eisen und Zink sind die Nährstoffe, die in der Schwangerschaft in größeren Unterschieden zu vorher vermehrt gebraucht werden, um das heranwachsende Kind optimal zu versorgen.
Mit den Omega 3-Fettsäuren sind die Fettsäuren DHA und EPA gemeint. EPA stellt bei dem Konsum von Leinsamen, Walnüssen, Rapsöl, Chiasamen, Sacha-Inchi-Öl und geschälten Hanfsamen kein Problem dar. Auch wenn die Umwandlungsrate von ALA zu EPA und DHA in der Schwangerschaft erhöht ist, empfiehlt es sich sehr, Algenöl oder DHA-angereichertes Öl zu verwenden. Der Bedarf an Omega 3-Fettsäuren ist in der Schwangerschaft bei 300-500 mg EPA und DHA pro Tag, in einem Verhältnis von 1:2.
Gerade die Folsäure, die in der Schwangerschaft immer supplementiert werden sollte, wird in ihrer Vitaminform Folat in der veganen Ernährung in deutlich höheren Mengen zu sich genommen. Es sollen in der Schwangerschaft 550 ug aufgenommen werden. Es kann einfach über grünes Gemüse, Hülsenfrüchte, Weizenkeime, und Vollkornprodukte oder Nüsse gedeckt werden. Hier ist bei Veganerinnen eine Supplementierung nur notwendig, wenn der Folsäurespiegel zu gering ist und in Absprache mit dem/der behandelnden ArztIn empfohlen wird.
Vitamin D3 sollte von jeder Schwangeren supplementiert werden. Hier liegt der Bedarf bei 4000 IE pro Tag und ist somit doppelt so hoch wie die normale Empfehlung.
Der Eisenbedarf verdoppelt sich in der Schwangerschaft. Schwangere sollten 30 mg Eisen pro Tag aufnehmen. Allerdings verdoppelt sich nicht nur der Bedarf, sondern auch die Absorptionsrate der Schwangeren. Zudem ist durch die ausbleibende Menstruation die Eisenausscheidung geringer.
Eisen kann vor allem über Kürbiskerne, Sesam, Hanfsamen, Leinsamen, Pistazien, Haferflocken, Aprikosen und Mandeln in großer Menge aufgenommen werden. Haselnüsse, Tofu, Amaranth, Linsen, Spinat, Schwarzwurzel, Quinoa, Kichererbsen, Hirse, Walnüsse, Pflaumen, Roggenvollkornbrot, Grünkohl und angereicherte Obstsäfte liefern adäquate Mengen Eisen. Die Eisenaufnahme kann durch verschiedene Faktoren begünstigt werden. Mehr dazu hier.
Wichtig ist hier, dass Eisen auf keinen Fall zu hoch dosiert aufgenommen werden sollte, wenn es supplementiert wird. Eine Supplementierung macht wirklich nur bei einem festgestellten Mangel Sinn und kann bei einer Überdosierung negative Auswirkungen, wie eine Frühgeburt, haben.
Bei Zink erhöht sich, wie bei Eisen, die Absorptionsrate in der Schwangerschaft. Der Bedarf liegt bei einer hohen Phytinsäureaufnahme durch die Nahrung normalerweise bei 10 mg pro Tag. In der Schwangerschaft steigt dieser ab dem 4. Monat auf 13 mg an. Dieser Mehrbedarf kann durch Sesam, Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne, Leinsamen, Chiasamen, Haferflocken, Erdnüsse, Walnüsse, Mandeln und Cashewkerne gedeckt werden. Auch Vollkornbrot, Linsen, Amaranth, Kichererbsen, Vollkornpasta, Tofu, Buchweizen, Weizenkeime und Sojabohnen können den Mehrbedarf ohne Probleme decken. Mehr zu Zink hier.
Darüber hinaus sollte auf eine ausreichende Vitamin A und die B-Vitamin-Zufuhr geachtet werden. Vor allem B2, B3 und B6. Diese Nährstoffe sind keine kritischen Nährstoffe und können ohne Weiteres über die vegane Ernährung aufgenommen werden. Von diesen hat man in der Schwangerschaft ebenfalls einen höheren Bedarf.
Gesundheitliche Aspekte einer veganen Schwangerschaft
Veganerinnen setzten sich oft weit mehr mit ihrer Ernährung auseinander als Mischköstlerinnen. Sie sind es gewohnt, auf die Nährstoffe zu achten und wissen, wie es um ihre Blutwerte steht. Das kann bei einer Schwangerschaft von Vorteil sein. Denn viele Frauen wissen nicht, was sie zusätzlich zuführen sollten oder haben eventuell einen unentdeckten Mangel.
Bei einer veganen Ernährung wird mehr Magnesium aufgenommen, sowie Vitamin C und sekundäre Pflanzenstoffe, die allesamt wichtig sind für eine gute Versorgung. Durch einen Mangel an Magnesium entstehen oft frühzeitige Wehen, Obstipation und nächtliche Krämpfe.
In der veganen Schwangerschaft werden den ungeborenen Kindern weniger verarbeitete Zucker und mehr Ballaststoffe zugeführt, dies lässt ein günstigeres Verhältnis der Gesamtzufuhr entstehen.
Auch die Gewichtszunahme fällt in einer veganen Schwangerschaft nicht so stark aus. Das hat Vorteile für das Ungeborene, da es weniger prädestiniert für Übergewicht ist.
Schwangere Veganerinnen leiden seltener an Präeklampsie und Schwangerschaftsdiabetes.
Zudem werden in einer mischköstlichen Schwangerschaft ungünstige gesättigte Fettsäuren, Cholesterol, Schadstoffe, Nitrit, Mikroplastik, Schwermetalle, Toxine, Hämeisen, Antibiotika, Hormone und Weiteres aufgenommen, vor dem man sein ungeborenes Kind eher beschützen sollte! Der einzige Vorteil, der vor all diesen Nachteilen keiner mehr zu sein scheint, ist, dass durch die omnivore Ernährung B12 aufgenommen wird. Supplementiert man dieses in der Schwangerschaft, ist das Problem gelöst.
Auch ist durch die vegane Schwangerschaft das Risiko, an Listeriose und Toxoplasmose zu erkranken, gleich null. Die Gefahr, Salmonellen zu bekommen, ebenfalls. Es hat einen Grund, wieso in der omnivoren Schwangerschaft stark von vielen Fischarten, Rohmilchkäse (z.B. Camembert, Harzer), Rohmilch, rohem oder halbgarem Fleisch (Kassler, Fleischsalat, Rauchfleisch, Carpaccio), Salami, Teewurst oder Mettwurst und rohen Eiern (Mayonnaise, Speiseeis, Nachtischen) abgeraten wird. Dadurch ist in einer veganen Schwangerschaft die Infektionsrate geringer.
Auch das Risiko von Ekzemen, Allergien, Atemwegserkrankungen und Diabetes des Säuglings wird dadurch gesenkt.
Fazit
Ohne Frage sollte vor und während der Schwangerschaft ein Blutbild gemacht werden und die Versorgung des Kindes überwacht werden. Allerdings hat jede Frau in der Schwangerschaft regelmäßige Kontrollen und Termine mit ihren ÄrztInnen. Jede Schwangere sollte ihre Ernährung mit größter Sorgfalt durchführen.
In einer veganen Schwangerschaft, sofern sie geplant ist und sich informiert wurde, kann das heranwachsende Kind alle Nährstoffe in ausreichender Menge aufnehmen. Es gibt keine höheren Risiken von Krankheiten, Entwicklungsstörungen oder Komplikationen im Vergleich zu anderen Ernährungsformen.
Es sollte sich wie zuvor, doch mit besonderem Augenmerk für das Wohl des Kindes, vielfältig und bunt über die Grundbausteine der Lebensmittelgruppen ernährt werden. Die vegane Ernährungspyramide kann hier zur Orientierung und Sicherheit hilfreich sein.1
Nach Absprache kann es sein, dass es einfacher ist, während der Schwangerschaft ein Supplement in höherer Dosis einzunehmen, das ist jedoch individuell und vom Versorgungsstand abhängig.
Natürlich kann auch ein Multinährstoffpräparat, wie auch viele Mischköstlerinnen es in der Schwangerschaft nehmen, mit den potenziell kritischen Nährstoffen genommen werden, um eine Sicherheit und einen Puffer zu haben, falls es nicht jeden Tag mit der ausgewogenen Ernährung klappt. Und weil der Bedarf einiger Nährstoffe in der Schwangerschaft nun mal etwas höher ist und nicht alle Frauen (jeder Ernährungsform) es schaffen oder wollen, diesen Mehrbedarf über die Nahrung aufzunehmen.
Wird in einer veganen Schwangerschaft B12 und Vitamin D3 supplementiert (für alle Schwangere wichtig!), Jodsalz oder Algen, sowie DHA-angereichertes Öl oder Algenöl verwendet, ist eine vegane Schwangerschaft sicher und ihr steht nichts im Wege.
Auf die genannten Nährstoffe mit Mehrbedarf muss geachtet werden. Die Folsäureversorgung sollte mit den ÄrztInnen abgesprochen werden. Darüber hinaus sollte die Voraussetzung für eine Schwangerschaft sein, dass die potenziell kritischen Nährstoffe gedeckt, sich ausgewogen und bedarfsdeckend ernährt wird und der Gesundheitsstatus gecheckt ist.
Veganerinnen müssen dann keine Sorge um die Gesundheit ihres Kindes haben und auch nicht auf tierische Produkte in der Schwangerschaft zurückgreifen.
Im Gegenteil: Die vegane Schwangerschaft kann, wenn sie richtig durchgeführt wird, für das Neugeborene gesundheitliche Vorteile haben und davon profitieren.
Darüber hinaus wird mit einer veganen Schwangerschaft nicht nur für das Lebewesen im eigenen Körper, sondern auch für andere Lebewesen Verantwortung übernommen.
Leseempfehlung
Keller, M. & Gätjen, E. (2017). Vegane Ernährung – Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost. Mutter und Kind gut versorgt. Gießen/Köln: Ulmer.
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). (2021). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Abgerufen am 29.05.2021 von https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/
(1) Ecodemy. (2017). Vegane Ernährungspyramide – Neuster Stand der Wissenschaft. Abgerufen am 02.06.2021 von https://ecodemy.de/magazin/vegane-ernaehrungspyramide-neuester-stand/
Ecodemy. (2019). Stellungnahme: Ist eine vegane Ernährung in der Schwangerschaft möglich? Abgerufen am 02.06.2021 von https://ecodemy.de/magazin/stellungnahme-ist-eine-vegane-ernaehrung-in-der-schwangerschaft-moeglich/
Ecodemy. Vegane Ernährung für Mutter und Kind. Abgerufem am 02.06.2021 von https://ecodemy.de/?media_dl=76872&utm_source=klick-tipp&utm_medium=email&utm_campaign=add-on-mk&utm_content=email-1
Leitzmann, C. & Keller, M. (2020). Vegetarische und vegane Ernährung (4. Auflage). Stuttgart: Eugen Ulmer KG.
Rittenau, N. (2019): Vegan – Klischee ade! Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu veganer Ernährung (3. Auflage). Mainz: Ventil.
Rittenau, N. (2020). Änderungen & Erweiterungen von „Vegan-Klischee ade!“. Abgerufen am 02.06.2021 von https://www.nikorittenau.com/wp-content/uploads/2020/08/Zinkempfehlungen.pdf