Alles über Vitamin B12 – nicht nur für VeganerInnen lesenswert

Das Vitamin B12 wird als DAS Gegenargument gegen eine vegane Ernährung angeführt, heiß diskutiert und als Synonym für eine Mangelerscheinung herangezogen, obwohl viele gar nicht wissen, was es ist oder wie es gebildet wird.

Was ist B12?

Vitamin B12 (Cobalamin) ist ein wasserlösliches Vitamin der B-Gruppe. Es kann im Körper mehrere Jahre gespeichert werden. Es ist an der DNA-Synthese und der zellulären Energieproduktion beteiligt. Auch spielt es bei der Blutbildung und dem Nervensystem eine große Rolle. B12 wird im Verdauungstrakt im Dünndarm, genauer im Ileum, an den Extrinsischen Faktor-Rezeptor gebunden und in die Blutbahn gegeben.

Es ist für den Menschen unerlässlich, muss aber nicht durch Fleisch aufgenommen werden, damit es der Körper gut aufnehmen kann.

Wie viel brauche ich?

Die Bioverfügbarkeit sinkt bei Steigerung der Einzeldosis. Denn die prozentuale Aufnahme von B12 sinkt bei allen Lebensmitteln, da pro Zeiteinheit nur eine bestimmte Menge aufgenommen werden kann. Die DGE gibt eine täglichen Bedarf von 4 ug an (4 Millionstel von einem Gramm).

Wir können aktiv alle 4-6 Stunden 2 ug Vitamin B12 aufnehmen. Durch die passive Aufnahme kann jedoch noch 1-3% zusätzlich aufgenommen werden. Wenn 250 ug pro Tag aufgenommen werden, wären 1% der passiven Aufnahme 2,5 ug. Mit der aktiven Aufnahme wären die 4 ug mehr als gedeckt. Es können auch zwei Mal täglich 10 ug aufgenommen werden. Da hier die aktive Aufnahme doppelt gezählt wird, ist die Dosis so viel geringer. Ein 1000 ug Präparat sollte alle vier Tage eingenommen werden. Wenn nur einmal die Woche supplementiert wird, sollten 1500 ug Präparate zu sich genommen werden. Da es kein Upper Level, also keine Höchstzufuhr gibt, ist es nicht toxisch, der Überschuss wird über den Urin ausgeschieden. Eine Bedarfsdeckung der 4 ug sind mit 150 ug täglicher Aufnahme gegeben, wenn von 2 ug aktiver und 2% passiver Aufnahme ausgegangen wird. Allgemein ist eine kontinuierliche Aufnahme empfehlenswerter, da dann keine großen Schwankungen entstehen.

Die Aufnahme ist über Nahrungsergänzungsmittel sogar effektiver und für den Körper besser absorbierbar, da B12 dann ungebunden und rein vorliegt.

Bedauerlicherweise ist es laut EU-Verordnung noch nicht erlaubt, dass Bioprodukte mit B12 angereichert werden. Das wäre jedoch wünschenswert, da die Aufnahme dann auch über veganen Joghurt, Pflanzenmilch und andere Lebensmittel erhöht werden könnte.

Mittlerweile gibt es auch Zahnpasta, die mit B12 angereichert ist. In Studien konnte dadurch eine tägliche Aufnahme von 130-290 ug nachgewiesen werden.

Ist B12 unnatürlich?

Das Argument, dass VeganerInnen unnatürliche Chemiecocktails zu sich nehmen, beruht auf dem naturalistischen Fehlschluss. Er wird damit gerechtfertigt, dass etwas schlecht ist, weil es nicht schon immer so war. Nur weil etwas natürlich ist, ist es nicht automatisch gut und nur weil etwas unnatürlich ist, ist es nicht automatisch schlecht. Was heißt Natürlichkeit heutzutage noch? Und haben wir uns nicht aufgrund der Erschaffung unnatürlicher Dinge weiterentwickelt? Keiner von uns möchte unnatürliche Dinge wie die Kleidung, die Technik, Süßigkeiten, Hygieneartikel oder Besteck missen. Also sollten wir dieses Argument nicht nur auf B12 beziehen, weil wir eine Rechtfertigung suchen, die vegane Ernährung als kompliziert oder unnatürlich abzustempeln. Die Frage ist eher: Ist etwas gut oder nützlich? Die Natürlichkeit alleine kann keine Begründung sein. Niemand würde auf die Idee kommen, aus dem Grund der Natürlichkeit Medikamente oder das Autofahren abzulehnen. Beim Veganismus ist das leider das Standardargument, das angeführt wird.

Hinzu kommt, dass ein Drittel der Bevölkerung Nahrungsergänzungsmittel einnimmt, um einen Nährstoff zusätzlich aufzunehmen. Also sollte das bei B12 nicht als besonders, fragwürdig, kompliziert oder unnatürlich angesehen werden.

B12 wird durch Mikroorganismen, hauptsächlich von Bakterien, hergestellt. Früher wurde B12 über Kontaminierungen aufgenommen. Über Gewässer, verunreinigtes Wasser, über Erde, durch ungewaschene Lebensmittel und Innereien von Tieren. Tiere nehmen B12 auch durch Koprophagie auf. Das ist der Verzehr des eigenen Kots, da B12 bei Tieren und Menschen nur im Darm vorkommt.

Glücklicherweise ist unser Wasser heutzutage geklärt und wir leben in einer sterilen Welt mit Qualitätskontrollen, Reinigungen und Standards. Dadurch werden dem Wasser nicht nur Fäkalkeime und Bakterien, sondern auch B12 entzogen.

Wir sind nicht mehr auf die Methoden von früher angewiesen, um B12 aufzunehmen. Da diese Aufnahmen für uns nicht als hygienisch und sicher gelten und viele Böden, die mit B12 angereichert sind, nicht mehr nutzbar sind, macht es Sinn, B12 heutzutage zu supplementieren. Denn es ist die einfachste Art und Weise, den Bedarf zu decken, und kann als neue Methode angesehen werden, die unserer Weiterentwicklung entspricht.

Gerade weil die Tiere in der Zucht weder B12 angereicherte Böden zu Gesicht bekommen, noch überhaupt auf Böden ihre Nahrung zu sich nehmen dürfen, werden in der Landwirtschaft tonnenweise Vitamin B12-Supplemente in das Tierfutter zugegeben. Denn die Tiere hätten aufgrund ihrer Lebensumstände sonst nicht genug B12 für die Menschen. B12 ist nämlich kein tierisches Produkt! Die Tiere werden dann unter grausamen Bedingungen mit modernem Werkzeug getötet, ohne dass davon jemand etwas mitbekommt.

MischköstlerInnen supplementieren somit über Umwege B12, das nur nicht auf der Verpackung stehen muss. Durch diese Ernährung ist man nicht nur von Supplementen, sondern auch von Gewalt und Ausbeutung abhängig.

Ist dieser Vorgang nicht viel unnatürlicher? Machen wir uns da nicht etwas vor?

Eine allgemeine Lösung wäre, dem Leitungswasser, so wie dem Salz das Jod, B12 zuzusetzen. Doch daran scheint es kein politisches und wirtschaftliches Interesse zu geben.

Spätestens hier kann das Natürlichkeitsargument nicht mehr standhalten. Ohne Jod im Salz, Magnesium im Wasser und vieles mehr hätte unsere Bevölkerung erhebliche Probleme, alle Mikronährstoffe zu decken.

Die direkte Aufnahme von Vitamin B12 ist nachhaltiger, wenn es nicht erst den Tieren ins Futter zugesetzt werden muss, damit es sich im Gewebe ansetzt und dann über den Verzehr von Tieren aufgenommen werden kann. Dieser Umweg ist aufwendig, umweltschädlich, verlustreich und ethisch nicht zu vertreten. Das tierische B12 kommt außerdem in einer Verpackung, die gesundheitliche Folgen haben kann. Und vor allem über den Darm von Tieren verunreinigt ist. Mehr dazu hier.

Die chemische Zusammensetzung des B12 ist durch die Supplemente in direkter, reiner Form oder über den Weg des Tiergewebes allerdings identisch. Das macht es noch unlogischer, letzteren Weg zu gehen.

Zudem ist das meiste B12 in tierischen Organen enthalten, die in unserer Kultur kaum verzehrt werden. Das meiste B12 ist nämlich in der Leber enthalten, die nicht empfohlen wird, in großen Mengen zu verzehren und von den wenigsten zu den Lieblingslebensmitteln zählt. B12 ist hitzeempfindlich. Fleisch müsste, wenn man wieder von der Natürlichkeit ausgeht, aber auch die beste Aufnahme erlangen möchte, roh gegessen werden.

Ein B12-Mangel tritt somit auch bei MischköstlerInnen auf. Auch weil diese sich weniger Gedanken über die Aufnahme machen. Die meisten B12-Präparate sind nicht vegan, da dieser Mangel ein Problem darstellt, das die Allgemeinbevölkerung hat, aber kaum jemand weiß.

Eine Einnahme kann daher bei jeder Ernährungsform empfohlen werden. Ein weiterer Vorteil der direkten Aufnahme ist die bessere Dosierung und die schadstofffreie Reinheit des B12.

Ohne Supplementierung in der Massentierhaltung geht es nicht. Früher wurden Tiere zum Kannibalismus gezwungen und haben über Tiermehl gemahlene Kadaver ihrer Artgenossen ins Futter gemischt bekommen, dadurch hatten sie zwar mehr B12 aber auch Rinderwahn (BSE).

Wer B12 wirklich auf natürliche Weise aufnehmen möchte, der/die müsste seine/ihre eigenen Darmmikroben aufbereiten oder in der Natur eigenhändig Tiere erlegen und ihre Innereinen verzehren, dabei aber aufpassen, nicht selbst gefressen zu werden.

Welche Form sollte aufgenommen werden?

Es gibt vier relevante Formen von B12. Methyl-Hydroxo-, Adenosyl- und Cyanocobalamin. Es gibt keine Form, die einer anderen überlegen ist, dennoch gibt es Studien, die das Methylcobalamin als beste Aufnahmeform bezeichnen. Eine Kombination aus Methyl- und Adenosylcobalamin wird auch häufig empfohlen. Das Cyanocobalamin ist am stabilsten und am meisten erforscht. Es wird in unserem Körper zu Methyl- und Adenosylcobalamin umgewandelt. Das ist aber bei einem gesunden Organismus kein Problem.

Hydroxocobalamin ist am häufigsten in Lebensmitteln enthalten. Es muss jedoch für die Aufnahme im Körper auch erst umgewandelt werden. Schlussendlich kommt es auf die ausreichende Dosierung an, da jede Form von B12 absorbiert werden kann. Alle Formen können uns mit B12 versorgen und erfüllen ihren Zweck.

Bei Kapseln ist darauf zu achten, dass die Hülle aus Cellulose besteht und nicht aus Gelatine ist. Des Weiteren sollte ein Präparat gewählt werden, dass ohne Konservierungsstoffe oder Süßungsmittel auskommt und ansonsten auch wenige weitere Inhaltsstoffe besitzt. Tropfen können besser dosiert werden und sind genauso gut zu absorbieren.

Darüber hinaus sollte auf eine ausreichende Calciumzufuhr geachtet werden, da die Aufnahme von Vitamin B12 von der Calciumversorgung abhängig ist.

Welcher Wert sollte getestet werden?

Um die eigene Vitamin B12-Versorgung testen zu lassen, sollte der Holo-Transcobalamin-Wert ausgewertet werden. Er zeigt auch das aktive B12 an und kann einen Mangel frühzeitig erkennen. Er ist der aussagekräftigste und sensibelste Marker. Die Methylmalonsäure kann aussagekräftig sein, wenn es darum geht, ob das B12 in der Zelle ankommt. Der Holo-Transcobalamin-Wert sollte über 50 pmol/l sein, der Wert für die Methylmalonsäure sollte weniger als 271 nmol/l betragen. Ist der Serumwert, also der Gesamt-Vitamin B12-Wert im Blut, unter 200 ng/l, sind die anderen Tests nicht nötig, da dann eindeutig ein Mangel vorliegt. Ebenfalls sind die sensibleren Test nicht unbedingt von Nöten, wenn der Gesamtwert über 400 ng/l liegt. Die genaueren Test sind somit von Vorteil, wenn der Serumwert zwischen 200 und 400 ng/l ist.

Fazit

Abschließend ist zu sagen, dass B12 ein bakterielles Produkt ist, das durch den Wandel unserer modernen Zeit nicht mehr auf hygienischem Weg zugänglich ist. Unsere Strukturen und Lebensweisen haben sich geändert, die eine Anpassung und neue Lösungen benötigen. B12 ist kein Beweis für eine unausgewogene Mangelernährung und ist als Argument gegen eine vegane Lebensweise nicht stichfest.

Die Natürlichkeit sollte in einer Welt, in der wir uns so weit von der Natur entfernt haben und jeder davon profitiert, nicht nur auf ausgewählte, für sich passende Bereiche bezogen werden. Eher sollten wir die modernen Möglichkeiten als neue Lösungen ansehen, mit denen der Konsum tierischer Bestandteile unnötig wird.

Daher hat Vitamin B12 per se nichts mit der veganen Lebensweise zu tun. Es sollte sich bei jeder Ernährungsweise über die ausreichende Versorgung Gedanken gemacht werden. Jede Ernährung ohne B12 stellt einen Mangel dar. Das Vitamin ist nötig und wir können es mit Leichtigkeit zuführen. Ein B12-Präparat stellt aus ernährungsphysiologischer Sicht keinen Nachteil dar und kann den Bedarf sicher, gezielt und direkt decken.

Empfehlenswerte Literatur: 

Deutschland is(s)t vegan (2021) B12. Abgerufen am 11.05.2021 von https://www.deutschlandistvegan.de/?s=B+12

Ecodemy (2017) Cobalamin-Vitamin B 12 Tropfen und andere Darreichungsformen. Abgerufen am 09.05.2021 von https://ecodemy.de/magazin/vitamin-b12-vegan-mangel/

Englert, H. & Siebert, S. (2016). Vegane Ernährung. Bern: Haupt Verlag.

Leitzmann, C. & Keller, M. (2020). Vegetarische und vegane Ernährung (4. Auflage). Stuttgart: Eugen Ulmer KG.

Niko Rittenau (2021) Änderungen & Erweiterungen von „Vegan – Klischee ade!“. Abgerufen am 10.05.2021 von https://www.nikorittenau.com/vka-update/

NutritionFacts.org. (2020). Vitamin B 12. Abgerufen am 11.05.2021 von https://nutritionfacts.org/topics/vitamin-b12/

Rittenau, N. (2019). Vegan – Klischee ade! Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu veganer Ernährung (3. Auflage). Mainz: Ventil.

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